Was hat Ihre Liebe zur Geige entfacht?
Ich bin mit Musik gross geworden. Meine Mutter, selbst aus einer Musikerfamilie stammend, ist Sängerin, und so war ich von jüngster Kindheit auf von Musik umgeben. Daher war es naheliegend, dass ich früher oder später selbst ein Instrument erlernen würde. Mit drei Jahren, auf dem Weg zum Eislaufplatz, verliebte ich mich dann in eine kleine Geige. Über die Zeit hinweg ist diese Liebe stetig gewachsen. Bereits als Kind genoss ich es, auf der Bühne zu stehen und meine Stücke vorzutragen; heute ist die Musik mein bevorzugtes Kommunikationsmittel, wenn es darum geht, mich selbst auszudrücken.
Welches Werk, welcher Komponist/welche Komponistin oder welche Epoche haben Sie und Ihr künstlerisches Schaffen besonders beeinflusst?
Generell versuche ich, mich möglichst breitgefächert zu bilden, denn erst durch die Studien verschiedener Komponisten und Epochen lernt man die musikalische Vielfalt und deren Ausdrucksmöglichkeiten wirklich kennen. Seit meiner Jugend schlägt mein Herz aber besonders für den Barock, die Klassik und die Romantik. Künstlerisch beeinflusst hat mich sicherlich Bach. Seine Solo-Sonaten und -Partiten bieten jedem Geiger/jeder Geigerin tägliches Brot und ich denke, dass es kaum andere Werke gibt, in denen man sich selbst so genau kennenlernt. Zurzeit befasse ich mich unglaublich gerne mit der Musik von Schubert und Brahms. Beide Komponisten faszinieren mich wegen der Art und Weise, wie sie geschrieben haben. Auch inspiriert es mich, mir die künstlerische Reife abzuverlangen, die Brahms und Schuberts Musik erfordern.
Was bedeutet es konkret, wenn man musikalisch auf diesem professionellen Niveau unterwegs ist? Wieviel Zeit und Energie stecken Sie täglich in Ihre künstlerische Entwicklung?
Musik ist mein Beruf, obwohl ich, technisch gesehen, noch im Studium bin. Wie bei allen Berufen ohne fixe Arbeitszeiten, gibt es auch für eine Musikerin keinen offiziellen Feierabend, den man unbeschwert geniessen kann. Besonders jetzt, in der Aufbauphase meiner Karriere, stecke ich jede freie Minute in die Musik. Neben der vielen Arbeit am Instrument gehören dazu auch Dinge wie die Musikbranche kennenzulernen, sich aktiv in der Musikwelt zu vernetzen und Konzerte und Reisen zu organisieren. Genau genommen bin ich so etwas wie eine Unternehmerin, deren Produkt sie selbst ist. Doch obwohl diese künstlerische Entwicklung sehr zeitaufwendig ist, macht es mir unglaublich Spass, etwas Eigenes aufzubauen und meine Zukunft aktiv gestalten zu können. Und dafür, dass ich mir immer mal wieder eine Verschnaufpause gönne, sorgt mein soziales Umfeld in New York.
Die Musik öffnet Ihnen die Tore zur Welt. Sie haben in London studiert, spielen Konzerte in ganz Europa und studieren momentan an der Manhattan School of Music in New York bei Pinchas Zukerman. Wohin soll die Reise gehen? Von welcher musikalischen Karriere träumen Sie?
Mein Ziel ist es, von den Auftritten als Solistin und Kammermusikerin leben zu können. Durch das Musikstudium im Ausland eigne ich mir dafür das nötige Können am Instrument und das Wissen bezüglich meines Karriereaufbaus an. Dank meiner Auftritte gewinne ich an praktischer Erfahrung. Mein Wunsch ist es, mich in den kommenden Jahren mit einer Musikagentur zusammenzutun und so von meinen Konzertauftritten leben zu können. Längerfristig würde ich mein Wissen auch sehr gerne weitergeben und neben den Konzertauftritten an einer Hochschule unterrichten.
Sie haben einen grossen Teil Ihrer Kindheit und Jugend in Schaffhausen verbracht. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dieser Stadt?
Der Rhein spielt in meinen Erinnerungen an meine Jugendzeit in Schaffhausen eine sehr prominente Rolle. So kann ich mich zum Beispiel an viele schöne Uferspaziergänge mit Freunden und Familie erinnern. Oder an das Gefühl, an einem heissen Sommertag in der Rhybadi ins kalte Wasser zu springen, wobei danach ein Glacé beim El Bertin natürlich nicht fehlen durfte!
Einen Tag am Meer – mit welchem Künstler/welcher Künstlerin würden Sie diesen Tag verbringen?
Da würde meine Wahl wohl tatsächlich auf meinen Lehrer Pinchas Zukerman fallen. Er hat in seinem Leben so viel erlebt und so viele wunderbare Künstler und Künstlerinnen getroffen. Manchmal erzählt er mir während des Unterrichts kurze Anekdoten aus seinem faszinierenden Leben; für mehr gibt es aber leider nie Zeit. Somit wäre der Tag am Meer eine wunderbare Gelegenheit, mehr über sein Leben und seine Erfahrungen zu lernen.
Welche Rolle spielt die Musik in Ihrem persönlichen Leben und was möchten Sie damit im Leben Ihres Publikums bewirken?
Ich möchte das Publikum etwas spüren lassen. In der heutigen Zeit ist so vieles auf Effizienz ausgelegt, es bleibt wenig Zeit, einfach einmal in Gedanken zu versinken und zu träumen. Mit meiner Musik möchte ich dem Publikum einen Raum geben, um tiefer in sich hineinzuhören und sich von den eigenen Gefühlen leiten zu lassen. Denn genau das tut Musik auch für mich selbst: Sie ist ein Raum, in welchem ich mich nicht rechtfertigen muss und meinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf lassen kann. Diese Erfahrung ist für mich sehr wertvoll. Dem Publikum etwas hiervon mitzugeben, bedeutet mir sehr viel.
Das Interview führte Karin Labhart