Sie setzen sich stark für mehr zeitgenössische Musik in den Konzertsälen ein. Warum ist es Ihrer Meinung nach so wichtig, dass wir die Musik unserer Zeit spielen?

Zeitgenössische Musik, ganz allgemein die Kunst des Hier und Jetzt, ist die Luft, die wir atmen, der Stoff zum Denken, die Reflexion über das, was geschieht und wir spüren. Sie muss Unruhe stiften, unsere Sinne schärfen, uns aus der Komfortzone herauskitzeln. Das alte Repertoire bleibt nur frisch, wenn wir es ständig entstauben und aktualisieren. Sonst gehört es ins Archiv.

Ihr musikalisches Schaffen und die Zusammenarbeit mit anderen Musikerinnen und Musikern ist von einer spielerischen und experimentierfreudigen Energie geleitet. War das schon immer so?

Ja, es war immer so, ich kann gar nicht anders. Dass ich das, was mir am meisten Freude und den grössten Spass macht, als Beruf ausüben kann, ist das grösste Geschenk meines Lebens. Musik ist für mich ein ständiges Spiel mit Gegebenheiten, egal wie gut oder schlecht sie sind. Und es geht dabei nicht um die Demonstration brillanten Könnens, sondern um das gemeinsame Erlebnis. Dazu braucht es offene Musikerinnen und Musiker, die das können, wollen und geniessen. Mit zunehmender Bühnen- und Lebenserfahrung mag ich den Druck nicht mehr, etwas beweisen zu müssen. Ich bin auf der Suche nach Leichtigkeit und Sinn.

Sie werden manchmal als Performancekünstlerin bezeichnet, die auf der Bühne auch mal singt oder die Trommel spielt. Offensichtlich überraschen Sie das Publikum und sich selbst immer wieder gerne. Ist Überraschung und Abenteuer in der Musik wichtiger als Perfektion und die Einhaltung des Regelwerks?

Perfektion verstehe ich als ein Können seines Handwerks – ein Pilot bringt ein Flugzeug auch nicht zum Fliegen, wenn er keine Kenntnisse hat. Es gibt eine Palette von Farben, Pinseln, Schrauben und Werkzeuge und die Selbstverständlichkeit der Handführung. Die lernt man irgendwie im Laufe des Tuns, alles andere ist aber so etwas wie Vision, Traum, Fantasie, Geruchssinn. Ein Wald, in dem man Pilze sucht. Ob man die findet, ist egal, man geht einfach auf die Suche.

Überraschungen gehören zum menschlichen Bedürfnis, um sich nicht zu langweilen. Wir beanspruchen ein bis zwei Stunden aus dem Leben unserer Zuhörenden, da will ich doch, dass diese aufmerksam bleiben.

Sie sind ursprünglich aus Moldawien, haben lange in Wien gelebt und sind jetzt Schweizer Staatsbürgerin. Inwiefern haben diese Orte Ihr musikalisches Schaffen geprägt? Wie lebt es sich für Sie als Musikerin in der Schweiz?

Die Schweiz erlebe ich als ein überaus freundliches und wunderbares Land, es leben hier kluge und liebe Menschen, die Konzentration auf meine Arbeit ist hier ungestört und geschützt. In vielen anderen Ländern erlebe ich den Alltag der Musikerinnen und Musiker sehr viel stressiger und ihre Leistungen werden viel weniger geschätzt. Ich denke, was die Motivation und die sogenannte künstlerische Entwicklung betreffen, muss man eher im Innern nach der Quelle suchen. Ob man jetzt in einem moldawischen Dorf ein Huhn, in New York einen Wolkenkratzer oder in Ägypten eine Pyramide betrachtet, ist relativ egal, wenn man sowieso ein Langweiler ist.

Was macht Sie glücklich?

Ich liebe die Kommunikation mit Menschen, Geschichten hören und erzählen – das macht mich glücklich.

Auf Ihrer Webseite ist zu lesen, dass Ihr erster Lehrer der Regen war. Danach kamen die Sonne, die Wolken und der Wind. Welche Rolle spielt die Natur noch heute in Ihrem Schaffen?

Ich bin nicht so viel in der Natur, mein Leben geschieht unterwegs, in Grossstädten, Sälen und Hotels. Ich würde sagen, dass alles, was mich umgibt, einen Einfluss auf mich hat. Es kann Inspiration, Entzückung sein – der Geruch der ersten blühenden Kirschbäume bei meinem letzten Besuch in Japan, eine frische Brise auf der Haut, all die Klänge um mich herum wie zum Beispiel gerade jetzt die Klimaanlage. Die skurrile, fast reine Tonleiter in den österreichischen Zügen, wenn sie sich in Fahrt setzen. Das Knirschen einer Tür, das Bohren der Strassenarbeiter draussen. Es kann aber auch Schrecken und Schauder sein – zum Beispiel, wenn ich die Berichte über die Lage unserer Umwelt höre.