Bereits in ihren jungen Jahren haben Sie sich auf die historisch informierte Aufführungspraxis unter der Verwendung von Originalinstrumenten spezialisiert. Was fasziniert Sie an dieser Musik und ihren Möglichkeiten?
Was mich an der Barockmusik fasziniert, ist die nahezu unendliche Palette an Ausdrucksmöglichkeiten: Stimmungen, Gefühle, die Farben der musikalischen Schrift, die Aufführungsfreiheit, wenn die Musik nach Improvisation verlangt, kombiniert mit Klängen, die man als «organisch» bezeichnen könnte. Alte Instrumente geben Hinweise auf Klänge aus einer vergangenen Epoche – natürlich ohne Gewissheit – aber sie scheinen die Zuhörenden mitten ins Herz zu treffen.
Für das Publikum ist es faszinierend zu beobachten, dass Sie das Orchester dirigieren und gleichzeitig die Violine spielen. Welche Vorteile und Herausforderungen ergeben sich aus diesem Setting für Sie und die Musizierenden?
Dirigieren auf der Violine bedeutet zunächst einmal, Teil des Orchesters zu sein, also auf der gleichen Ebene wie die anderen Musiker zu stehen. Es bedeutet, mit dem vom Komponisten gewünschten musikalischen und instrumentalen Material in Kontakt zu bleiben. Eine Geste mit dem Bogen auf der Saite ist von enormer Präzision und kann leicht nachvollzogen werden. Da ich nicht alle Anweisungen geben kann, die ein Dirigent ohne Instrument geben könnte, gibt dies den Stimmführenden jeder Instrumentalgruppe echte Freiheit und Autonomie, denn sie dürfen für die Musik, die sie spielen, Verantwortung übernehmen: Eine melodische Passage, bei der sie die anderen führen müssen, eine Begleitpassage, bei der sie auf die musikalische Darbietung der anderen Musiker achten müssen.
Welche Lehrepersonen, Musizierenden und welche Begegnungen haben Sie beeinflusst?
Ich denke, dass alle Begegnungen mich geprägt haben, ob aus positiven oder negativen Gründen. Inspirierende Dirigenten, Instrumentalisten oder Sängerinnen und Sänger, Konzert- oder Aufnahmesituationen, die sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt haben und natürlich auch mein Studium in den Niederlanden. Den stärksten Eindruck haben aber zweifellos die Begegnungen mit Vera Beths und Anner Bylsma hinterlassen, denn ich hege eine grenzenlose Bewunderung für ihre Energie, ihre unstillbare Neugier, ihren kreativen Geist und ihre aussergewöhnlichen menschlichen Qualitäten.
Was möchten Sie mit ihrer Musik bewirken und was treibt ihr künstlerisches Schaffen voran?
Ich weiss nicht, ob ich mit der Musik, die ich seit meiner Kindheit verehre, eine Mission verfolge, aber mir scheint, dass sie ein Träger von Freude, Wohlbefinden und Zufriedenheit ist. Wir sind dazu da, diese Freude und all die Emotionen, die in den Werken, die wir spielen, enthalten sind, weiterzugeben, so als würden wir die versteckte Botschaft des Komponisten entschlüsseln.